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Richtlinien
des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit,
Familie und Sozialordnung über die Beratung
werdender Mütter gemäß § 218b Abs. 1 Nr. 1 StGB

Vom 9. Dezember 1985

(GABl. 1986 S. 309)

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1.
Geltungsbereich
Diese Richtlinien gelten für die Beratung gemäß § 218b Abs. 1 Nr. 1 StGB (Beratung).
2.
Ziel der Beratung
Die Beratung dient dem Schutz des ungeborenen Lebens. Sie ist an die Wertordnung des Grundgesetzes gebunden, wonach dem sich im Mutterleib entwickelnden Kind das Recht auf Leben uneingeschränkt zukommt und welche den Schwangerschaftsabbruch grundsätzlich mißbilligt. Die Beratung obliegt daher die Pflicht, sich schützend und fördernd vor das ungeborene Leben zu stellen und es der werdenden Mutter dadurch zu ermöglichen, ihre Not- und Konfliktlage zu bewältigen und die Schwangerschaft fortzusetzen.
3.
Form und Inhalt der Beratung
3.1
Die werdende Mutter ist in einem unmittelbaren persönlichen Gespräch (Beratungsgespräch) zu beraten. Mit ihrer Einwilligung sollen am Beratungsgespräch auch Personen teilnehmen, die zur Bewältigung der Not- und Konfliktlage beitragen können. Dies gilt insbesondere für den Vater des ungeborenen Kindes und – bei minderjährigen werdenden Müttern – auch für deren Eltern.
3.2
Die Beratung darf sich nicht in einer schriftlichen oder mündlichen Aufzählung von allgemein möglichen Hilfen oder in einer Unterrichtung oder Übergabe schriftlichen Materials (z.B. Broschüren und Merkblätter) erschöpfen. Im Beratungsgespräch sind vielmehr mit der werdenden Mutter die für sie bestehenden, möglicherweise nicht nur auf der Schwangerschaft beruhenden Probleme und ihre gesamten persönlichen, familiären, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse umfassend zu erörtern. Dabei sind die ihr angemessenen, zur Verfügung stehenden öffentlichen und privaten Hilfen für Schwangere, Familien, Mütter und Kinder aufzuzeigen, insbesondere solche Hilfen, die die Fortsetzung der Schwangerschaft ermöglichen und die Lage von Mutter und Kind erleichtern. Diese Hilfen sind gegebenenfalls zu vermitteln. Dazu ist eine enge Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden, insbesondere mit den örtlich zuständigen Jugend- und Sozialämtern, und den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege erforderlich.
3.3
In der Beratung sind insbesondere Leistungen aus dem Landesprogramm »Hilfen für werdende Mütter« vom 15. Juli 1985, der Landesstiftung »Familie in Not« und der Bundesstiftung »Mutter und Kind – Schutz des ungeborenen Lebens« zu vermitteln. Nummer 3.2 Satz 5 findet Anwendung.
3.4
Im Beratungsgespräch sind den Beteiligten die Verantwortung gegenüber den ihnen anvertrauten ungeborenen Leben und die Pflicht zur Achtung des Lebensrechts des sich entwickelnden Kindes bewußt zu machen. Insbesondere sind sie über Bedeutung, Risiken und Folgen eines Schwangerschaftsabbruchs aufzuklären und darauf hinzuweisen, daß durch diesen unwiderruflich menschliches Leben zerstört würde.
3.5
Erforderlichenfalls sind Beratung und Betreuung nach dem Beratungsgespräch für die gesamte Dauer der Schwangerschaft und die Zeit danach fortzusetzen.
4.
Zeitpunkt und Kostenfreiheit der Beratung
4.1
Die Beratung soll möglichst frühzeitig und insbesondere in Fällen einer Notlage gemäß § 218a Abs. 2 Nr. 3 StGB vor einer etwaigen Indikationsfeststellung gemäß § 219 Abs. 1 StGB durchgeführt werden.
4.2
Wartezeiten für ratsuchende Mütter sind möglichst zu vermeiden.
4.3
Die Beratung ist unentgeltlich.
5.
Trennung von Beratung und Indikationsfeststellung gemäß § 219 Abs. 1 StGB
5.1
Ärzte dürfen als Mitglieder einer gemäß § 218b Abs. 1 Nr. 1 StGB anerkannten Beratungsstelle (Nr. 9.1.1) keine Feststellung gemäß § 219 Abs. 1 SGB treffen, wenn sie die werdende Mutter sozial beraten haben.
5.2
Anerkannte Beratungsstellen sind als solche nicht befugt, Feststellungen gemäß § 219 Abs. 1 StGB zu treffen.
6.
Bestätigung der Beratung
6.1
Berater im Sinne des § 218 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nrn. 1, 2 Buchst. a und b StGB sind auf Verlangen der werdenden Mütter verpflichtet, dieser schriftlich zu bestätigen, daß und wann sie über die zur Verfügung stehenden öffentlichen und privaten Hilfen für Schwangere, Familien, Mütter und Kinder beraten worden ist, insbesondere über solche Hilfen, die die Fortsetzung der Schwangerschaft ermöglichen und die Lage von Mutter und Kind erleichtern.
6.2
Die Bestätigung muß die Zielsetzung der Beratung (Nr. 2) angeben, darf jedoch den Inhalt der Beratungsgespräche im einzelnen nicht wiedergeben.
7.
Verschwiegenheitspflicht und Zeugnisverweigerungsrecht
Die Mitglieder und Beauftragten einer anerkannten Beratungsstelle im Sinne des § 218b Abs. 2 Nr. 1 StGB und Berater nach § 218 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a und b StGB sind über die Beratung und deren Inhalt zur Verschwiegenheit verpflichtet. Der Träger der Beratungsstelle hat deren Mitglieder und Beauftragten über ihre Pflicht zur Verschwiegenheit (§ 203 Abs. 1 Nr. 4a StGB) und ihr Zeugnisverweigerungsrecht (§ 53 Abs. 1 Nr. 3a StPO) zu unterrichten und auf die strafrechtlichen Folgen einer Verletzung der Verschwiegenheitspflicht hinzuweisen.
8.
Tätigkeitsberichte
Anerkannte Berater (Nr. 9) legen dem Ministerium für Arbeit, Gesundheit, Familie und Sozialordnung in regelmäßigen Zeitabständen Tätigkeitsberichte vor.
9.
Anerkennung von Beratern gemäß § 218b Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 und 2 Buchst. b StGB
9.1
Beratungsstellen
9.1.1
Eine Beratungsstelle wird auf Antrag vom Ministerium für Arbeit, Gesundheit, Familie und Sozialordnung gemäß § 218b Abs. 2 Nr. 1 StGB anerkannt, wenn ihr Träger
  1. eine Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts ist oder in einem der Liga der freien Wohlfahrtspflege in Baden-Württemberg angeschlossenen Spitzenverband der freien Wohlfahrtspflege oder dessen Mitgliedsorganisationen angehört und
  2. Gewähr für eine den Nummern 2 bis 7 entsprechende Tätigkeit der Beratungsstelle bietet.
Über Ausnahmen von Nummer 9.1.1 Buchst. a entscheidet das Ministerium nach Anhörung der Liga der freien Wohlfahrtspflege.
9.1.2
Die Beratungsstelle muß mit mindestens einem durch mehrjährige Berufstätigkeit erfahrenen und in Hilfen vertrauten staatlich anerkannten oder graduierten, beim Träger hauptberuflich angestellten Sozialarbeiter/Sozialpädagogen oder Diplompädagogen (Fachrichtung Sozialpädagogik) besetzt sein. Außerdem muß sie im Bedarfsfall einen Psychologen mit staatlich anerkannter wissenschaftlicher Abschlußprüfung und einen Arzt zur Beratung beiziehen können und dies durch entsprechende Abmachungen sicherstellen. Soweit erforderlich, soll auch ein Rechtskundiger zugezogen werden.
9.1.3
Ärzte dürfen als Berater gemäß § 218b Abs. 1 Nr. 1 StGB in der Beratungsstelle nur tätig sein, wenn sie für die Beratung die besondere Sachkunde nach den Nummern 9.2.2 und 9.2.3 nachweisen.
9.1.4
Die Beratungsstelle muß über die zur sachgemäßen Durchführung der Beratung geeigneten Räumlichkeiten und über die hierzu erforderlichen Einrichtungen verfügen.
9.1.5
Die Beratungsstelle muß mindestens drei Tage in der Woche regelmäßig geöffnet und zu den Zeiten üblicher Tätigkeit fernmündlich erreichbar sein. Öffnungszeiten und Fernsprechanschlüsse sind in geeigneter Form bekanntzumachen.
9.1.6
Der Träger einer anerkannten Beratungsstelle hat die Fortbildung der Mitglieder der Beratungsstelle in angemessenem Umfang zu ermöglichen.
9.2
Ärzte
9.2.1
Ein Arzt ist auf Antrag vom Ministerium für Arbeit, Gesundheit, Familie und Sozialordnung gemäß § 218b Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b StGB anzuerkennen, wenn er die Voraussetzungen der Nummer 9.2.2 erfüllt und Gewähr für eine den Nummern 2 bis 7 entsprechende Tätigkeit bietet.
9.2.2
Ärzte als Berater nach § 218b Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b StGB müssen über eine mindestens zweijährige ärztliche Berufstätigkeit sowie über ausreichende Kenntnisse und Erfahrungen auf sozialem Gebiet verfügen und insbesondere über die möglichen Hilfen für Schwangere, Familien, Mütter und Kinder unterrichtet sein.
9.2.3
Ein gemäß Nummer 9.2.1 anerkannter Arzt hat sich zu verpflichten, seine Kenntnisse in den öffentlichen und privaten Hilfen für Schwangere, Familien, Mütter und Kinder den Entwicklungen auf diesem Gebiet anzupassen und zu diesem Zweck an Informations- und Fortbildungsveranstaltungen für anerkannte Ärzte teilzunehmen.
10.
Widerruf und Erlöschen der Anerkennung
10.1
Die Anerkennung ist zu widerrufen, wenn ihre Voraussetzungen (Nrn. 9.1 oder 9.2) im Zeitpunkt der Entscheidung nicht vorgelegen haben, nachträglich wegfallen oder eine sachgemäße Beratung (Nr. 2) nicht mehr gewährleistet ist.
10.2
Die Anerkennung erlischt, wenn der Träger einer anerkannten Beratungsstelle oder ein anerkannter Arzt auf die Anerkennung verzichtet oder die Beratungstätigkeit nicht nur vorübergehend einstellt. Verzicht und Einstellung sind dem Ministerium für Arbeit, Gesundheit, Familie und Sozialordnung schriftlich anzuzeigen.
11.
Finanzielle Förderung
Die Anerkennung einer Beratungsstelle oder eines Beraters begründet keinen Rechtsanspruch auf finanzielle Zuwendungen des Landes.
12.
Öffentliche Bekanntmachung
Anerkennung sowie Widerruf und Erlöschen der Anerkennung werden im Staatsanzeiger öffentlich bekanntgemacht.
13.
Übergangsbestimmung
Diese Richtlinien gelten auch für bestehende anerkannte Beratungsstellen.
14.
Inkrafttreten
Diese Richtlinien sind ab sofort anzuwenden. Sie treten an die Stelle der Richtlinien des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Sozialordnung über die Beratung Schwangerer nach § 218b Abs. 1 Nr. 1 StGB vom 1. März 1977 (GABl. S. 338) in der Fassung der Ersten Änderung vom 6. Mai 1980 (GABl. S. 568).