.####Artikel 10
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Die Rechte eines Kirchenmitglieds, mit Ausnahme der Teilnahme am Abendmahl, stehen bis zur Religionsmündigkeit auch einem ungetauften Kinde zu, bei dem mindestens ein Elternteil der evangelischen Kirche angehört.
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Wer nicht Mitglied der Evangelischen Landeskirche in Baden ist, kann auf seinen oder seines Erziehungsberechtigten Wunsch zur kirchlichen Unterweisung und zur Teilnahme am evangelischen Religionsunterricht an öffentlichen und privaten Schulen zugelassen werden.
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1 Das Recht zur Teilnahme am Abendmahl setzt die Taufe voraus. 2 Zur Teilnahme am Abendmahl sind die Glieder aller christlichen Kirchen eingeladen. 3 Wer am Abendmahl teilnimmt, soll angemessen darauf vorbereitet sein.
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1 Die Konfirmation setzt die Taufe und evangelisches Bekenntnis voraus. 2 Mit der Konfirmation wird das Recht erworben, das Patenamt zu übernehmen.
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Gemeindeglieder können eine andere Pfarrerin oder einen anderen Pfarrer mit deren bzw. dessen Zustimmung für einzelne Amtshandlungen wählen.
####Literatur
de Wall, Heinrich (2017): Amtshandlungen (Kasualien). In: de Wall, Heinrich / Muckel, Stefan: Kirchenrecht. 5. Aufl. München, § 33 II.
Munsonius, Hendrik (2016): Gottesdienst und Verkündigung. In: Anke, Hans-Ulrich / de Wall, Heinrich / Heinig, Michael: Handbuch des Evangelischen Kirchenrechts. Tübingen, § 16.
Germann, Michael (2001): Konfirmation. In: Betz, Hans Dieter / Browning, Don S. / Janowski, Bernd /Jüngel, Eberhard (Hrsg.): RGG. Handwörterbuch für Theologie und Religionswissenschaft. 4. völlig neu bearbeitete Aufl. Tübingen.
Grethlein, Christian / German, Michael (2001): Konfirmation. In: Religion in Geschichte und Gegenwart. Handwörterbuch für Theologie und Religionswissenschaft. 4. Aufl. Tübingen, Sp. 1558 ff.
Mückl, Stefan (2019): Religionsunterricht bikonfessionell, ökumenisch, multireligiös. ZevKR 64, S. 225 ff.
Muckel, Stefan (2016): Die rechtliche Ordnung der Sakramente. In: de Wall, Heinrich / Muckel, Stefan: Kirchenrecht. 5. Aufl. München, § 21.
Munsonius, Hendrik (2016): HevKR, § 16 Rdnr. 48.
Reisgies, Jens (2019): Konfirmation. In: Heinig, Hans Michael / Reisgies, Jens (Hrsg.): 100 Begriffe aus dem evangelischen Kirchenrecht. Tübingen, S. 140 ff.
Stein, Albert (1992): Evangelisches Kirchenrecht. Ein Lernbuch. 3. Aufl. Neuwied.
von Scheliha, Arnulf (2019): Religionsunterricht 4.0. Theolgische Überlegungen zu kooperativen Modellen im Rahmen des geltenden Religionsrechts. ZevKR, 64, S. 374.
Winter, Jörg (2008): Staatskirchenrecht der Bundesrepublik Deutschland. Eine Einführung mit kirchenrechtlichen Exkursen. 2. Aufl. Köln.
Wißmann, Hinnerk (2019): Religionsunterricht für alle? Zum Beitrag des Religionsverfassungsrechts für die pluralistische Gesellschaft. Tübingen.
#A. Rechtsstellung ungetaufter Kinder
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Der Artikel entspricht in den Absätzen 1 und 2 dem bisherigen § 7 Abs. 1 und 3 GO. In dem Muster einer Ordnung Kirchenmitgliedschaft der Arnoldshainer Konferenz vom 26. April 1996 heißt es zum Rechtsstatus ungetaufter Kinder:
»Einige Kirchenverfassungen (Braunschweig/Hannover) sehen ausdrücklich vor, daß ungetaufte Kinder christlicher Eltern bis zur Religionsmündigkeit als Kirchenmitglieder gelten oder bestimmte Rechte haben, ohne Mitglieder zu sein (Baden). Die Arnoldshainer Konferenz hat sich in einer Stellungnahme vom 12. Dezember 1972 auf dem Hintergrund der Diskussion über den Taufaufschub dazu geäußert: ›Es entspricht gemeinsamer Lehre, die noch nicht getauften Kinder christlicher Eltern der besonderen Verantwortung der Gemeinde anzuempfehlen und sie an der Verkündigung teilhaben zu lassen. Dieses in den seelsorgerlichen Bereich fallende Geschehen sollte nicht verrechtlicht werden.‹ Diese Argumente treffen auch weiterhin zu. Es empfiehlt sich, keinen mitgliedschaftsrechtlichen Status zu begründen, sondern entsprechend der badischen Regelung Teilnahmebedingungen zu beschreiben, z. B. das Recht auf Teilnahme am gottesdienstlichen Leben, an der kirchlichen Unterweisung und der Inanspruchnahme kirchlicher Einrichtungen.«
Die Bestimmung ist daher keine Ausnahme von dem Erfordernis der Taufe zur Begründung der Kirchenmitgliedschaft, sondern räumt ungetauften Kindern, als Annex zur Kirchenmitgliedschaft von mindestens einem Elternteil, die in Art. 9 Abs. 1 GO genannten mitgliedschaftlichen Rechte ein, mit Ausnahme der Zulassung zum Abendmahl. Sie sind deshalb bis zur Religionsmündigkeit wie Kirchenmitglieder zu behandeln.
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Praktische Bedeutung gewinnt das vor allem im Zusammenhang mit den Angeboten der kirchlichen Unterweisung, der Bildung und Erziehung nach Artikel 9 Abs. 1 Satz 3 GO. Ungetaufte Kinder müssen deshalb auf Wunsch ihrer evangelischen Eltern auch zur Teilnahme am evangelischen Religionsunterricht an den öffentlichen und privaten Schulen zugelassen werden. Die Entscheidung darüber steht daher nicht im Ermessen der Lehrkräfte, die den Unterricht erteilen.
#B. Zulassung zur evangelischen Unterweisung
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Für ungetaufte konfessionslose Jugendliche und Erwachsene gilt nach Absatz 2, dass sie auf ihren eigenen Wunsch oder den Wunsch der Erziehungsberechtigten zur Teilnahme an der evangelischen Unterweisung und zum Religionsunterricht an den öffentlichen und privaten Schulen zugelassen werden können. Zur kirchlichen Unterweisung im engeren Sinne gehören der Konfirmationsunterricht und die Taufvorbereitung nach § 2 der Lebensordnung Taufe und im weitesten Sinne auch die Angebote der kirchlichen Bildung und Erziehung. Aus der Tatsache, dass diese im Unterschied zu Art. 9 Abs. 1 und Abs. 2 nicht ausdrücklich genannt sind, kann nicht geschlossen werden, dass diese für Personen, die der evangelischen Landeskirche in Baden nicht angehören, nicht offen stehen sollen. Die Kirchenmitgliedschaft eines Elternteils wird dabei nicht vorausgesetzt. Die Entscheidung über die Teilnahme am Religionsunterricht in den Schulen trifft die den Unterricht erteilende Lehrkraft.
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Absatz 2 findet außerdem Anwendung auf Personen, die einer anderen christlichen Kirche oder einer nicht-christlichen Religionsgemeinschaft angehören. Bei der Zulassung zur Teilnahme am Religionsunterricht an öffentlichen Schulen ist – vorbehaltlich anderer Vereinbarungen der beteiligten Kirchen – Voraussetzung, dass Religionsunterricht der eigenen Konfession nicht erteilt wird. Die Zulassung zur Teilnahme erfolgt mit allen Rechten und Pflichten, d.h., es wird im Rahmen der staatlichen Bestimmungen eine Note erteilt, die versetzungserheblich ist. Eine bloß »gastweise« Teilnahme kommt daher nicht in Betracht.
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Durch die Zulassung von Schülerinnen und Schülern zum evangelischen Religionsunterricht, die nicht der evangelischen Kirche angehören, wird das Prinzip der »Konfessionalität des Religionsunterrichts«, wie es durch Art. 7 Abs. 3 GG vorgegeben ist, nicht infrage gestellt. Im Unterschied zur Auffassung der römisch-katholischen Kirche gehört das Prinzip der sog. »konfessionellen Homogenität der Schülerschaft« nach evangelischem Verständnis nicht zu einem Wesensmerkmal des konfessionellen Religionsunterrichts. Zur Wahrung seines konfessionellen Charakters genügt vielmehr die konfessionelle Ausrichtung durch den Bildungsplan und die Lehrkräfte, die ihn erteilen. Hinsichtlich der Teilnahme von Schülerinnen und Schülern, die nicht der evangelischen Kirche angehören, steht der Grundsatz einer »missionarischen Offenheit« im Vordergrund. Diese Form des konfessionell gebundenen Religionsunterrichts, wie sie den Vorgaben in Art. 7 GG entspricht, wird zunehmend zugunsten kooperativer ökumenischer Modelle oder einer allgemeinen, konfessionell nicht gebundenen Religionskunde in Frage gestellt, weil seine soziologische Basis im Schwinden begriffen ist.
#C. Teilnahme am Abendmahl
#I. Taufe als Voraussetzung
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Die Feier des Abendmahls hält die Erinnerung wach an das letzte Nachtmahl, das Jesus mit seinen Jüngern nach den Berichten in den ersten drei Evangelien (Mt. 26,17 ff.; Mk. 14, 12 ff.; Lk. 22, 7 ff.) und der von Paulus zitierten Überlieferung (1. Kor. 11,23 ff.) vor seiner Verhaftung und Hinrichtung gehalten hat.
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In Absatz 3 wird die Taufe als Voraussetzung für die Zulassung zum Abendmahl festgelegt, wie es durchgehend den bestehenden Regelungen in den Lebensordnungen der evangelischen Kirche entspricht. Zur Frage, wie mit Ungetauften umzugehen ist, die am Abendmahl teilnehmen wollen, wird im Muster einer Ordnung Abendmahl der Arnoldshainer Konferenz vom 20. April 1994 Folgendes ausgeführt:
»Es kann vorkommen, daß Ungetaufte bei einer Abendmahlsfeier anwesend sind. Sie sollen beim Herzutreten zum Tisch des Herrn nicht zurückgewiesen werden. Ihr Entschluß, am Abendmahl teilzunehmen, wird im gegebenen Einzelfall respektiert, es soll jedoch danach mit ihnen ein Gespräch geführt werden, dass sie diese Abendmahlsteilnahme als Eröffnung des Weges zur Taufe und zur Gemeinde Jesu Christi verstehen und ihn auch gehen.«
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Das Recht zur Teilnahme am Abendmahl erlischt mit dem Kirchenaustritt. Sollten sie dennoch teilnehmen wollen, empfiehlt sich die entsprechende Anwendung der zitierten Regel für die Teilnahme von Ungetauften mit dem Ziel eines Wiedereintritts in die Kirche.
#II. Zulassung von Kindern
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Die Einladung zur Teilnahme am Abendmahl in persönlicher Verantwortung und Entscheidung wird Jugendlichen mit der Konfirmation öffentlich ausgesprochen. Nach entsprechender Einführung kann das Abendmahl in Verantwortung der Unterrichtenden mit Konfirmandinnen und Konfirmanden aber auch schon vor der Konfirmation gefeiert werden. Hintergrund dafür ist der Beschluss der Landessynode vom 25. Oktober 2001 zur Zulassung von Kindern zum Abendmahl. Dieser Beschluss lautet:
»Auf Grund eines tieferen theologischen Verständnisses der Zusammengehörigkeit von Taufe und Abendmahl erkennt die Landessynode:
Wer getauft ist, ist zur Feier des Heiligen Abendmahls eingeladen.
Kinder sollen ihrem Alter gemäß darauf vorbereitet sein.
Die Vorbereitung soll erkennen lassen, dass sie von Christus eingeladen sind und dass er im Abendmahl zu ihnen kommt. Diese Vorbereitung kann im Kindergottesdienst, im Familiengottesdienst und im Abendmahlsgottesdienst selbst erfolgen, aber auch durch besonderen Unterricht, auf Familienfreizeiten, Kinderbibelwochen und ähnlichen Veranstaltungen oder durch die Eltern und Paten selbst.
Der Beschluss der Landessynode vom 21. Oktober 1977 zur Teilnahme von Kindern am Abendmahl (GVBl 1978, S. 12) wird aufgehoben.«
#III. Einladung an alle Konfessionen
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Über das Verständnis des Abendmahls bzw. der Eucharistiefeier hat es in der Theologiegeschichte heftige Auseinandersetzungen gegeben. Bis heute besteht darüber keine Einigkeit zwischen der römisch-katholischen Kirche und den Kirchen der Reformation. Nach römisch-katholischem Verständnis kann die Konsekration gültig nur von einem geweihten Priester vorgenommen werden.
»Der Dienst der Priester, die das Sakrament der Weihe empfangen haben, macht in der von Christus bestimmten Heilsordnung deutlich, daß die von ihm gefeierte Eucharistie eine Gabe ist, die auf radikale Weise die Vollmacht der Gemeinde überragt. Das priesterliche Dienstamt ist unersetzlich, um die eucharistische Konsekration gültig an das Kreuzesopfer und an das Letzte Abendmahl zu binden.«
Dieses Verständnis führt dazu, dass es den katholischen Gläubigen von ihrer Kirche nicht erlaubt ist, am evangelischen Abendmahl teilzunehmen.
»Deshalb müssen die katholischen Gläubigen bei allem Respekt vor den religiösen Überzeugungen ihrer getrennten Brüder und Schwestern der Kommunion fernbleiben, die bei ihren Feiern ausgeteilt wird, damit sie nicht einer zweideutigen Auffassung über das Wesen der Eucharistie Vorschub leisten und so die Pflicht versäumen, für die Wahrheit klar Zeugnis abzulegen.«
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Auch innerhalb des Protestantismus ist ein gemeinsames Verständnis des Abendmahls als Grundlage der uneingeschränkten Abendmahlsgemeinschaft erst in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entwickelt worden. Eingeladen sind heute alle Mitglieder der evangelischen Kirche und anderer Kirchen, mit denen Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft besteht. Das ist bei allen Kirchen der Fall, die die Leuenberger Konkordie unterzeichnet haben. Im Rahmen eucharistischer Gastfreundschaft sind aber auch Mitglieder solcher christlicher Kirchen eingeladen, mit denen noch keine Kirchengemeinschaft besteht (z. B. römische Katholiken).
#D. Konfirmation
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Die frühere Lebensordnung »Die Konfirmation« vom 17. Oktober 1989 wurde 2016 durch eine Neufassung abgelöst. Zugleich traten die vom Evangelische Oberkirchenrat dazu erlassenen Leitlinien vom 6. März 1990 außer Kraft. An deren Stelle ist die Ordnung der Konfirmandenarbeit getreten, in der weitere Einzelheiten geregelt sind. Die neue Lebensordnung enthält nicht nur rechtliche Bestimmungen, sondern wendet sich an eine breite interessierte Öffentlichkeit, an die Konfirmanden und deren Eltern sowie die haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden. Sie soll eine Schrift sein, die in den Familien und Ältestenkreisen gelesen und rezipiert wird. Angesichts der Veränderungen in der Lebenswelt der Konfirmandinnen und Konfirmanden, soll sie der Weiterentwicklung der pädagogischen und didaktischen Konzepte und der Entwicklung neuer Modelle dienen.
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Bei der Konfirmation handelt es sich um einen Ritus, der in der Reformationszeit entstanden ist. Sie »war immer wieder umstritten, wurde unterschiedlich interpretiert und gestaltet. Sie ist heute in fast allen ev. Kirchen üblich, sogar in eher kirchl. distanzierten Familien«. Mit der Konfirmation wendet sich die Kirche an junge Menschen zwischen Kindheit und Jugendalter. Was Gott ihnen in der Taufe zugesagt hat, sollen sie erfahren und durch eine eigenverantwortliche Bejahung im Glauben annehmen. »In der Konfirmation bekräftigen die Jugendlichen ihre Taufe und bekennen sich damit zum Glauben und zu einem Leben als Christ in dieser Welt. Sie empfangen unter Handauflegung den Segen Gottes«. Heute besteht Einigkeit darin, dass die Entscheidung über die Konfirmation »nicht schematisch von dem befriedigenden Ausfall eines unterrichtlichen Prüfungsgesprächs vor der Gemeinde abhängig gemacht werden kann«, wie es früher der Fall war. Die Konfirmationszeit zielt hin auf eine aktive Teilnahme und Mitgestaltung christlicher und gemeindlicher Glaubenspraxis.
»Angesichts der zunehmenden Säkularisierung und religiösen Differenzierung der Gesellschaft leistet die Konfirmandenzeit einen wichtigen Beitrag zur Bildung evangelischer Identität und zur Beheimatung in der evangelischen Kirche. Sie trägt dazu bei, dass Jugendliche angesichts der Vielfalt und des Nebeneinanders von Religionen und Weltanschauungen dialog- und auskunftsfähig sind, ihren evangelischen Glauben im Alltag leben und ihn öffentlich vertreten.« Ihre biblisch-theologische Grundlage hat sie in Matthäus 28, 18-20.
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Konfirmiert werden in der Regel Jugendliche in der Altersstude der 8. Klasse. In besonderen Fällen können auch ältere Jugendliche und Erwachsene konfirmiert werden, die als Kinder getauft, aber nicht konfirmiert worden sind. Menschen, die sich erst als Erwachsene taufen lassen oder von einer anderen Christlichen Konfession zur evangelischen Kirche übertreten, werden nicht zusätzlich konfirmiert.
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Im Unterschied zur Firmung in der römisch-katholischen Kirche ist die Konfirmation kein Sakrament. Sie ist zwar am Sakrament der Taufe orientiert und hat diese zur Voraussetzung, sie ist aber kein Bestandteil der sakramentalen Taufhandlung selbst, die als solche abgeschlossen ist.
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Voraussetzung für die Konfirmation ist die Taufe und evangelisches Bekenntnis. Die alte Formulierung in § 7 Abs. 2 GO, nach der die Konfirmation die Taufe und Kirchenmitgliedschaft voraussetzt, war zu weit, weil sie die Konfirmation auch von Mitgliedern nicht evangelischer Kirchen, z. B. von römischen Katholiken, nicht ausschloss. Die Bindung an die Mitgliedschaft in der evangelischen Kirche ist wiederum zu eng, da eine Konfirmation von Mitgliedern evangelischer Freikirchen nicht ausgeschlossen werden soll. Deren Recht auf Zulassung zur »evangelischen Unterweisung« ergibt sich bereits aus Absatz 2.
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»Die Veranstaltungen der Konfirmandenzeit umfassen in der Summe mindestens 60 Zeitstunden und finden in der Regel über einen Zeitraum von mindestens 9 Monaten hinweg statt.« Dazu können nach Absatz 2 auch Ungetaufte zugelassen werden. Bei dem inzwischen häufig auftretenden Fall, dass Jugendliche zum Konfirmationsunterricht angemeldet werden, die noch nicht getauft sind, dient die Konfirmationszeit zur Vorbereitung auf die Taufe, die nach einer angemessenen Zeit des Unterrichts oder im Konfirmationsgottesdienst selbst erfolgt. Findet die Taufe erst im Konfirmationsgottesdienst statt, kann die vorherige Teilnahme am Abendmahl zum Problem werden, wenn dieses bereits im Laufe der Konfirmationszeit mit der Konfirmationsgruppe gefeiert werden soll.
18
Mit der Konfirmation wird nach Abs. 4 Satz 2 das Recht erworben, das Patenamt zu übernehmen. Die Bestimmung schließt nicht aus, dass auch nicht konfirmierte Personen das Patenamt übernehmen können, wie z. B. Personen, die erst im Erwachsenenalter getauft worden sind. Als ausgeschlossen kann aber nach wie vor gelten, dass noch nicht konfirmierte Kinder das Patenamt übernehmen können.
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Eine weiter gehende rechtliche Bedeutung kommt der Konfirmation heute nicht mehr zu. Mit der Konfirmation wird den Jugendlichen zwar die Einladung zur Teilnahme am Abendmahl in selbstständiger Verantwortung öffentlich ausgesprochen, sie ist aber keine Zulassungsvoraussetzung im Rechtssinne, wie das bei der Taufe der Fall ist. Aufgrund des Beschlusses der Landessynode zur Teilnahme von Kindern am Abendmahl vom 25. Oktober 2001 ist eine Teilnahme auch schon vor der Konfirmation möglich. Auch das passive kirchliche Wahlrecht besteht unabhängig von der Konfirmation, da § 3a Abs. 1 LWG für die Wahlberechtigung für die Wahl des Ältestenkreises allein an die Vollendung des 14. Lebensjahres anknüpft.
Das staatliche Recht knüpft keinerlei Rechtsfolgen an die Konfirmation. Die von Albert Stein ins Gespräch gebrachte Forderung, hinsichtlich der Verpflichtung zur Zahlung von Kirchensteuern nicht an die Taufe, sondern an die Konfirmation anzuknüpfen, hat sich nicht durchgesetzt.
#E. Abmeldung für einzelne Amtshandlungen
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Der Artikel wurde durch das Kirchliche Gesetz zur Änderung der Grundordnung vom 20. April 2013 um einen Absatz 5 ergänzt. Er entspricht in der Sache dem vorherigen Artikel 92 Abs. 2 Satz 1 der GO von 2007 und gibt Gemeindegliedern als Ausnahme vom Territorialprinzip die Möglichkeit, für eine einzelne Amtshandlung eine andere Pfarrerin bzw. einen anderen Pfarrer zu wählen. Nicht übernommen wurde bei der Umstellung die Regelung aus dem früheren Art. 92 Abs. 2 Satz 2 GO a.F., nach der Pfarrerinnen und Pfarrer nicht verpflichtet sind, Amtshandlungen an Personen vorzunehmen, für die sie nicht zuständig sind. Sie findet sich jetzt als § 10 Abs. 5 Satz 2 im Ausführungsgesetz zum Pfarrdienstgesetz der EKD vom 16. April 2011. Das soll die Pfarrerinnen und Pfarrer vor Überforderungen schützen, wie sie z. B. in Gemeinden mit einer attraktiven »Hochzeitskirche« entstehen können.
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Aus der Grundordnung ins Ausführungsgesetz zum Pfarrdienstgesetz der EKD verschoben wurde auch der bisherige Art. 92 Abs. 3 GO, in dem die Notwendigkeit des sog. »Abmeldescheins« oder »Dimissoriale« geregelt ist. Ohne diesen Schein darf die gewählte Pfarrerin bzw. der gewählte Pfarrer die Amtshandlung nicht vornehmen. Die Regelung hält an der Schriftform fest, sodass ein bloß mündlich oder telefonisch erklärest Einverständnis der zuständigen Pfarrerin bzw. des zuständigen Pfarrers nicht ausreicht. Als der Schriftform genügend ist es aber anzusehen, wenn die Einverständniserklärung auf elektronischem Wege übermittelt wird.
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Weggefallen ist bereits früher der vor der Neufassung von 2007 in der Grundordnung enthalten gewesene Satz, dass der Abmeldeschein zu versagen ist, »wenn es seelsorgerlich geboten ist, weil das Gemeindeglied sich durch die Abmeldung kirchlichen Ordnungen entziehen will«. Diese Formulierung ist nicht praktikabel, weil sie auf einen subjektiven Tatbestand abstellt, der in der Praxis kaum zu beweisen sein dürfte. Seelsorgerliche Gründe sind im Übrigen gegenüber Dritten nicht kommunizierbar. Die Verweigerung eines Abmeldescheines ist aber ein Vorgang, der dem Beschwerderecht unterliegt, also in seiner Begründung nachprüfbar sein muss.
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Im Übrigen enthielt die Bestimmung die Unterstellung, dass sich nicht alle Pfarrerinnen und Pfarrer entgegen ihrer mit der Ordination übernommenen Verpflichtung an die kirchlichen Ordnungen halten. Die Erfahrung zeigt, dass das tatsächlich nicht immer der Fall ist. So kommt es z. B. vor, dass Pfarrerinnen oder Pfarrer bereit sind, Personen zum Patenamt zulassen, die nicht der evangelischen Kirche oder einer ACK-Kirche angehören, obwohl dies nach Artikel 5 der Lebensordnung Taufe nicht zulässig ist. Die Erteilung des Abmeldescheines müsste also verweigert werden, wenn er zu dem Zweck beantragt wird, diese Regelung zu umgehen. Die Verweigerung des Abmeldescheines ist aber kein geeignetes Mittel, die eventuelle Pflichtwidrigkeit einer anderen Pfarrerin bzw. eines anderen Pfarrers zu korrigieren. In diesem Falle müsste vielmehr die zuständige Dekanin bzw. der Dekan im Wege der dienstlichen Aufsicht nach Artikel 46 Abs. 2 GO tätig werden. Aus den genannten Gründen hat die Erteilung des Abmeldescheins ebenso wie die nachträgliche Mitteilung über die erfolgte Vornahme der Amtshandlung nur noch eine reine Ordnungsfunktion. Die Dimissoriale kann daher nicht mehr verweigert werden.
Rechtsstand: 01.01.2021
Artikel 10
A. Rechtsstellung ungetaufter Kinder
###B. Zulassung zur evangelischen Unterweisung
###C. Teilnahme am Abendmahl
#I. Taufe als Voraussetzung
##II. Zulassung von Kindern
##III. Einladung an alle Konfessionen
##D. Konfirmation
###E. Abmeldung für einzelne Amtshandlungen47#
###1 ↑ Siehe dazu bei Art. 8 Rdnr. 4 ff.
2 ↑ Zur Zulassung von Kindern zum Abendmahl siehe unten zu Absatz 3.
3 ↑ Siehe dazu oben: Art. 8 Rdnr. 8.
4 ↑ Zum Erfordernis der Zustimmung beider erziehungsberechtigten Elternteile siehe oben: Art. 8 Rdnr. 8 ff.
5 ↑ Zur Zulassung zum Konfirmationsunterricht siehe unten zu Absatz 4.
6 ↑ Vergl.: § 7 Abs. 2 Kirchliches Gesetz über den evangelischen Religionsunterricht in der Evangelischen Landeskirche in Baden (Religionsunterrichtsgesetz – RUG) vom 15. April 2000, GVBl. S. 114, zuletzt geändert am 19. Oktober 2016, GVBl. S. 228 (RS Baden Nr. 370.100).
7 ↑ Siehe: § 7 Abs. 4 Satz 1 RUG.
8 ↑ Lebensordnung Taufe vom 25. Oktober 2001 GVBl. S. 16 (RS Baden Nr. 220.100).
9 ↑ Siehe: § 7 Abs. 6, Satz 2 RUG.
10 ↑ Siehe: § 7 Abs. 4 Satz 2 RUG.
11 ↑ Siehe: § 7 Abs. 6 Satz 1 RUG.
12 ↑ Zu diesem Prinzip vergl.: J. Winter (2008): S. 134 ff.
13 ↑ Vergl. dazu: J. Winter ebd.: S. 137 f.; A. von Scheliha (2019): S. 375 ff.; S. Mückl (2019); H. Wißmann (2019).
14 ↑ Vergl. auch: Art. 4 Abs. 1 Satz 2 LO Abendmahl vom 19. April 2008, GVBl. S. 128 (RS Baden Nr. 220.600); Muster einer Ordnung Abendmahl der Arnoldshainer Konferenz (1994), Art. IV § 3 Abs. 1; Art. 28 Ordnung des kirchlichen Lebens der Evangelischen Kirche der Union, 2. Aufl. Leipzig 1999; Leitlinien kirchlichen Lebens der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands, Gütersloh 2003, Nr. 3 Abs. 1.
15 ↑ Vergl. Arnoldshainer Konferenz, Muster einer Ordnung Abendmahl, Art. VI § 4; Ordnung des kirchlichen Lebens der Evangelischen Kirche der Union (1999) Art. 28 Abs. 2; Leitlinien kirchlichen Lebens der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (2002) Nr. 3 Abs. 6; H. Munsonius (2016): § 16 Rdnr. 48.
16 ↑ Zur grundsätzlichen Frage der Zurückweisung von der Abendmahlsgemeinschaft vergl. A. Stein (1992): S. 57 ff.
17 ↑ Vergl. Art. 7 Abs.2 Satz 3 LO Konfirmation vom 22. April 2016 (GVBL. S.131) und Art. 4 Abs. 3 LO Abendmahl vom 19. April 2008, GVBl. S. 128.
18 ↑ Vergl.: Art. 7 Abs. 2 Satz 4 LO Konfirmation. Voraussetzung ist allerdings nach Art. 7 Abs. 1 LO Konfirmation, dass die Konfirmandinnen und Konfirmanden bereits getauft sind.
19 ↑ Siehe jetzt: § 4 Abs. 2 LO Abendmahl.
20 ↑ Verhandlungen der Landessynode, Ordentliche Tagung vom 21. bis 25. Oktober 2001, S. 61; schon seit dem Beschluss der Landessynode vom 21. Oktober 1977 konnten mit Genehmigung des Ältestenkreises nach entsprechender Vorbereitung nicht konfirmierte Kinder zum Abendmahl zugelassen werden. Vor dem ersten Abendmahlsgang musste eine Anmeldung bei der Gemeindepfarrerin oder dem Gemeindepfarrer erfolgen. Eine solche Zulassung durch den Ältestenkreis und eine Anmeldung vor dem ersten Abendmahl ist nicht mehr notwendig.
21 ↑ Siehe dazu oben: Vorspruch Rdnr. 12 ff.
22 ↑ Enzyklika Ecclesia de Eucharistia vom 17. April 2003, Nr. 29 unter: http://www.vatican.va/holy_father/special_features/encyclicals/documents/hf_jp-ii_enc_20030417_ecclesia_eucharistia_ge.html (Abruf 03.04.2020).
23 ↑ Ebd. Nr. 30.
24 ↑ Siehe dazu oben: Art. 4 Rdnr. 6 f.
25 ↑ Zum Charakter und Aufbau von Lebensordnungen siehe bei Art. 60 Rdnr. 8.
26 ↑ GVBl. 1990, S. 1.
27 ↑ Kirchliches Gesetz zur Einführung der Lebensordnung über die Konfirmation vom 22. April 2016, GVBl. S. 131 (RS Baden Nr. 220.200). Zur unterschiedlichen Regelungsdichte der Konfirmation in den evangelischen Landeskirchen siehe J. Reisgies (2019).
28 ↑ GVBl. S. 77
29 ↑ Ordnung über die Konfirmandenarbeit in der Evangelischen Landeskirche in Baden – (KonfiO) vom 02. August 2016, GVBl. S. 170, geändert am 02. Februar 2018, GVBl. S. 166 (RS Baden Nr. 220 201).
30 ↑ Siehe dazu: Vorlage des Landeskirchenrates vom 17. Februar 2016: Entwurf Kirchliches Gesetz zur Einführung der Kirchlichen Lebensordnung über die Konfirmation, Verhandlungen der der Landessynode der Evangelischen Kirche in Baden, 4. Ordentliche Tagung vom 19. bis 23. April 2016, Anlage 3 sowie die Einführung in das Gesetz durch den landeskirchlichen Beauftragten für Konfirmandenarbeit, Pfarrer Kammerer, ebd.: S. 90 ff.
31 ↑ Zur Geschichte und heutigen Bedeutung der Konfirmation vergl. Chr. Grethlein (2001) und die Lebensordnung Konfirmation vom 22. April 2016 Abschnitt I 1, GVBl. S. 131 (RS Baden Nr. 220.200).
32 ↑ Grethlein ebd.: Sp. 1558.
33 ↑ Art. 9 Abs. 2 LO Konfirmation; siehe dazu: A. Stein (1992): S. 51.
34 ↑ A. Stein ebd.
35 ↑ LO Konfirmation I 2.
36 ↑ LO Konfirmation ebd.
37 ↑ Vergl. dazu: LO Konfirmation II.
38 ↑ Art. 2 Abs. 2. LO Konfirmation
39 ↑ Art. 12 LO Konfirmation.
40 ↑ Vergl. Can. 879 CIC: »Das Sakrament der Firmung, das ein Prägemal eindrückt, beschenkt die Getauften, die auf dem Weg der christlichen Initiation voranschreiten, mit der Gabe des Heiligen Geistes und verbindet sie vollkommener mit der Kirche; es stärkt sie und verpflichtet sie noch mehr dazu, sich in Wort und Tat als Zeugen Christi zu erweisen sowie den Glauben auszubreiten und zu verteidigen.« Zur Firmung vergl. auch: S. Muckel (2016): § 21 Rdnr. 29 ff.
41 ↑ Art. 3 Abs., 4 LO Konfirmation.
42 ↑ Siehe § 8 LO Konfirmation.
43 ↑ In der bis zum 31.12.2001 in Baden gültigen Lebensordnung »Die heilige Taufe« war in Nr. 12 die Kinderpatenschaft, auch in der Form der Stellvertretung ausdrücklich ausgeschlossen. In der Sache gilt das bis heute.
44 ↑ Zur rechtlichen Bedeutung der Konfirmation siehe auch M. Germann (2001): Sp. 1561 ff.; H. de Wall (2017): § 33 Rdnr. 11 und bei Art. 8 Rdnr. 15.
45 ↑ Siehe oben: Rdnr. 9.
46 ↑ Siehe oben: Art. 8 Rdnr. 15 f.
47 ↑ Zur Frage der Ummeldung in eine andere Gemeinde »im Ganzen«, d.h. nicht nur für eine einzelne Amtshandlung, vergl. die Kommentierung bei Art. 8 Rdnr. 21 ff.
48 ↑ GVBl. S. 109.
49 ↑ Siehe dazu die Kommentierung bei Art. 8 Rdnr. 19 ff.
50 ↑ GVBl. S. 91.
51 ↑ Siehe jetzt § 10 Abs. 6 AG-PfDG EKD
52 ↑ Nach § 28 Abs. 2 PfDG.EKD bedarf es für Gottesdienste und Amtshandlungen im Bereich einer anderen Gemeinde der »vorherigen Genehmigung« der für diese Gemeinde zuständigen Stelle. In welcher Form, die Genehmigung zu erteilen ist, schreibt das EKD-Gesetz nicht vor.
53 ↑ § 56 Abs. 1 Satz 2 GO a.F.
54 ↑ Siehe früher ausdrücklich: § 56 Abs. 2 GO.